Beruf und/oder Berufung?!
Ganz genau genommen, ist dieser Post die Grundlage für diesen Blog. Würde ich meinen Beruf nicht lieben oder es nicht als meine Berufung sehen, könnte ich nicht so einfach über die Freude, die mir mein Beruf macht, schreiben.
Aber warum ist das so? Woran liegt es?
Warum macht mich mein Beruf glücklich?
Warum erfüllt er mich?
Warum gehe ich jeden Tag gern in die Schule?
Warum liebe ich diesen Beruf?
Auch wenn in der heutigen Zeit der Beruf des Lehrers/der Lehrerin leider nicht (mehr) überall respektiert oder angesehen. Es gibt viele Vorurteile, die zum großen Teil auf bloßen Vermutungen oder Gerüchten beruhen und an den Haaren herbeigezogen sind.
Alle diese Vorurteile kann ich alleine natürlich weder abbauen noch ihnen entgegentreten, aber ich kann meine Sicht auf den Beruf, meine Erfahrungen und meine Meinung darlegen und damit auch deutlich machen, was es eigentlich heißt, Lehrer zu sein und mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Und vielleicht kann ich dadurch auch den ein oder anderen zum Nachdenken oder gar Überdenken anregen.
Was macht also den Beruf aus?
Schüler über viele Jahre begleiten – Entwickeln und Wachsen sehen
Nach einigen Jahren in diesem Beruf kann ich sagen, es ist wunderbar, die Schüler*innen über viele Jahre immer wieder zu sehen, sie über diese Zeit zu begleiten. Ich kann sehen, wie aus “kleinen Pflänzchen” über die Jahre “Bäume” werden, jeder auf seine Art und Weise. Und es ist mir klar geworden, dass ich als Lehrerin einen sehr großen Beitrag dazu leisten kann, wie sich die “Pflanzen” entwickeln – ich kann Wasser oder sogar Dünger sein, und dadurch beim Wachsen und Entwickeln helfen. Aber Lehrer an sich können auch das Wachsen klein halten, durch fehlende (Be-)Achtung, durch negative Aussagen oder Kommentare, durch viele kleinere Handlungen gegenüber den oft empfindlichen Pflanzen.
Ich bin also quasi der Gärtner, der die Schüler*innen über einige Jahre begleiten, ihnen beim Wachsen und Gedeihen zusehen und zusätzlich auch eingreifen kann, wenn das nötig ist.
Aber vor allem kann ich nach längerer Zeit sehen, wie alles gewachsen ist, welche Fortschritte gemacht wurden, was sich alles entwickelt und auch verändert hat.
Und ich kann diesen Prozess begleiten, beobachten und mitgestalten, ich kann dieses Wachsen positiv beeinflussen, ich kann Schüler*inne inspirieren, unterstützen, eine positive Einstellung vermitteln, die persönliche Entwicklung fördern. Das mach mich glücklich und stolz und ich kann mir keinen schöneren Beruf vorstellen!
Vieles von den Schüler*innen zurückbekommen
Je mehr ich mich auf die Kinder und Jugendlichen einlasse, umso mehr bekomme ich zurück. Dazu habe ich erst in der letzter Zeit einiges erst gelernt: ich habe früher versucht, der strengere Lehrertyp zu sein, dem am wichtigsten ist, dass sein Stoff durchgepowert und sein Fach als superwichtig angesehen wird. Der Unterricht, der Stoff, das Organisatorische war mir das Wichtigste. Aber ich habe gemerkt, dass es darum nicht wirklich geht, sondern um viel mehr. Was das meiner Meinung nach ist, kannst du hier lesen.
Wenn ich also offen, ehrlich und zugewandt mit den Kindern und Jugendlichen arbeite, oder besser noch umgehe, dann bekomme ich viel zurück:
- ganz normale direkte Rückmeldung, die nicht immer positiv ist, aber immer immer ehrlich
- ein kleines oder auch großes Lächeln
- viel Interesse oder auch Zuwendung/Zuneigung
- Freude über eine Zuhörerin
- vor allem sehr viel Zwischenmenschliches, wie Geschichten, Erlebnisse, Begegnungen, Gespräche
Bedeutung für die Zukunft
Auch wenn das, was während der Schulzeit passiert, wichtig für mich als Lehrer und für jeden Schüler ist, so hat der Unterricht bzw. die Schule und alle, die dazu gehören, eine große Auswirkung auf die Zukunft aller Beteiligter und noch mehr.
Ich kann als Lehrerin den Kindern viel für ihr zukünftiges Leben mitgeben, vom Glauben an das Gute über den Glauben an Gott bis hin zum Glauben an sich selbst, dazu das Vertrauen in Andere, Vertrauen auf Gott, Vertrauen in sich Selbst.
Das heißt für mich, ich kann die Zukunft von Vielen gestalten und beeinflussen, ich kann die nächste(n) Generation(en) von jungen Erwachsenen mit prägen, ich kann Freigeister und Führungskräfte, Inspirierte und Ingenieure, Praktiker und Philosophen motivieren, inspirieren oder zumindest begleiten.
Das motiviert mich selbst jeden Tag neu, ich fühle mich in gewissem Maß privilegiert, ein Teil dieses wundervollen Prozesses der persönlichen Entwicklung von Menschen sein zu können und vielleicht einen positiven Einfluss auf ihr Leben und ihre Zukunft haben zu können.
Äußere Umstände
Neben diesen wichtigen zwischenmenschlichen Vorteilen oder positiven Aspekten, gibt es auch einige ganz praktische Vorteile, die ich für mich als nicht unwichtig einordnen würde:
Arbeitszeit:
Ich muss keine acht Stunden oder mehr in einem Büro still sitzen, den ganzen Tag mit den selben Kollegen klarkommen. Der Schulalltag hat eine ganz andere Taktung: einzelne Stunden, Freistunden, Pausen, die vorgegeben sind. Dadurch habe ich immer wieder andere Kollegen um mich und kann mit diesen die ein oder andere längere Pause mit Zeit für Kaffee und Austausch verbringen. Und die flexible Arbeitszeit, die ich mir selbst einteilen kann, und auch muss, weswegen sich oft Arbeitszeiten am Abend und am Wochenende nicht vermeiden lassen.
Und das Schuljahr selbst ist ja auch etwas anders und dadurch etwas besonderes: es gibt die festen Ferienzeiten, die zwar sehr oft mit Arbeit vollgepackt, aber als unterrichtsfrei festgelegt sind, also immer vorgegeben, ich kann mich darauf verlassen. Ein Vorteil der Ferien ist auch, dass wir Lehrer alle gemeinsam in die Ferien gehen, worüber sich meistens alle zusammen freuen udn so keine Urlaubsvertretung o.ä. nötig ist, was die Belastung nicht hochschraubt und die Stimmung im Kollegium untereinander nicht belastet.
Und was für mich den Beruf immer wieder interessant macht ist, dass jedes neue Schuljahr von neuem startet: es bringt wieder die Chance, mich neu aufzustellen, auf neue Schüler zu treffen, meine Arbeitswoche neu gestalten zu müssen (immer wieder ein neuer Stundenplan). Von Langeweile oder Wiederholungen kann hier keine Rede sein.
Freiheit
Diese Freiheit habe ich im Lauf der Jahre sehr zu schätzen gelernt: Ich kann meinen Unterricht ganz frei so gestalten, wie ich will. Damit meine ich nicht, dass es egal ist, was ich mache, aber ich kann das, was gemacht werden muss (laut Lehrplan) selber ausgestalten: ich kann meine Inhalte so entwickeln und organisieren wie ich möchte. Ich kann meinen Inhalt so rüberbringen, dass es mir Spaß macht: mit z.B. “schönen” Präsentationen, Geschichten aus meinem Leben, Bildmaterialien, viel Gespräche untereinander und mit mir…