Lehrer mit Freude

Unterricht – Was ist wirklich wichtig?

Das habe ich mich schon oft nach meinen Unterrichtsstunden gefragt. Bleibt ihnen diese Geschichte, dieses Thema, die wichtigen Daten überhaupt im Kopf?

Die Frage ist aber doch eine ganz andere: Sollen sie nur diese Fakten wissen oder ist nicht was ganz anderes von Bedeutung? Ist es wirklich so wichtig, ob die Schüler*innen ganz genau wissen, wo welches Bibel-Buch zu finden ist? Ob ich die “Kleinen” mit Jahreszahlen, Daten und Fakten vollpacken soll? 
Was brauchen sie eigentlich? Was ist ihnen wichtig? Was nehmen sie mit? Was bleibt hängen?  Was bringe ich ihnen bei, was macht sie zu “guten Menschen”? Was hilft ihnen in ihrem weiteren Leben? 
Diese Fragen sollten uns mehr beschäftigen, als die reine Wissensvermittlung!  

Und mir persönlich fällt immer öfter auf, dass das Drum-Herum, das Miteinander und vor allem das Miteinander-Reden so viel wichtiger ist! Bei vielen aber immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird. 

Es ist natürlich klar, dass im Unterricht nicht einfach nichts gemacht werden kann und man nur reden sollte…  Vor allem auch nicht als Lehrer eines Hauptfaches, der natürlich einen ganz anderen Druck bzw. Verpflichtungen und Stoffpläne hat. Ich habe natürlich mit meinen beiden Nebenfächern eine viel angenehmere Ausgangssituation. 

Trotz allem soll dieser Beitrag aber dennoch zum Nachdenken anregen, auf die Zwischenmenschlichkeiten hinweisen und vielleicht den ein oder anderen dazu bringen, mal am Fach vorbei oder drüber hinaus zu schauen und die kleinen Menschen, die wirklich wunderbaren Seelen zu sehen, die auf der anderen Seite des Pults sitzen und viel mehr sind, als ein “Schwamm”, der Wissen aufsaugen “muss”! 

Aufgefallen ist mir das alles noch einmal nach der Alltagskompetenz-Woche, in der ich unseren 7. Klässlern Yoga und Entspannung näher bringen durfte. Im Rahmen dieser Aktion wurde der normale Tagesablauf aufgebrochen, die Kids waren immer eine Doppelstunde bei einer “Station” und durften dort sich mit einem Thema beschäftigen. Schon das wenigere Hin-und-Her-Wechseln zwischen Stunden tat vielen sehr gut. Und dann auch noch etwas mehr Zeit, um über Sachen zu reden, die im Leben der Schüler vorkommen, darin Bedeutung haben, war wirklich eine Bereicherung. Ich kann hier natürlich wieder nur für mich sprechen, aber das ist ein learning, das ich aus diesem Projekt und auch aus dem letzten halben Jahr Unterricht mitnehmen durfte.

 

Also was ist jetzt wichtig?

Für mich ganz klar: die Kinder oder die Jugendlichen! Aber wer hat die denn noch wirklich im Blick? Viele LehrerInnen jammern, dass die SchülerInnen dies oder das nicht können, immer dümmer werden, und frecher und und und. Vielleicht ist das ja tatsächlich so – aber ich merke nur, dass die Kids viele einzelne Individuen sind, die jede für sich seine Bedürfnisse, Probleme, Geschichten und Hintergründe hat. 
Dann kommt: ja, aber wir Lehrer sind ja nicht für alles zuständig, es gibt doch noch die Eltern…  Und wenn die ihre Aufgabe nicht so wahrnehmen können, wie wir uns das vorstellen würden – was dann? Überlassen wir die Kinder sich selbst? 
Ich denke das wäre die falsche Richtung. Und ich kann nur widersprechen. Die Kinder und Jugendlichen sind toll! Manchmal muss man ihnen nur einfach zuhören, oder auch einmal nachfragen. Das tut nicht weh und macht das Verhältnis ganz besonders! 

Ich bin wie ich bin – und das darf ich auch sein!

Eine Sache ist mir auch noch besonders wichtig: Wir alle sind Menschen, die alle ihre Eigenheiten, Problemchen und Geschichten haben. 
Ich als Lehrerin bin auch nicht nur Lehrerin, sondern auch ein ganz normaler Mensch, dem es mal besser und mal schlechter geht. Und ich habe für mich entschieden, dass ich das auch zulasse und meinen Schülern nichts “vorspiele”. Das tut mir und vor allem dem Verhältnis zwischen mir und meinen Schülern nicht gut. Sie merken ja eh, wenn es mir nicht gut geht – warum nicht auch einfach mal sagen, warum oder zugeben, dass es so ist. 
In vielen Situationen habe ich gemerkt, dass gerade nach so einem “menschlichen” Zwischenfall, das Verhältnis sich verbessert hat oder wir besser und verständnisvoller miteinander umgehen. 

So dachte ich aber nicht immer und habe das erst im Lauf der Jahre mir selbst zugestanden. Da ich aber ein eher emotionaler Mensch bin, ist das für mich auch wirklich wichtig. Ich würde sonst einen sehr großen Teil meiner Selbst verleugnen, verstecken oder überspielen. Und sich selbst verstellen bzw. eine Rolle spielen ist für niemanden eine auf Dauer angenehme Situation! Ich habe das auf die harte Tour lernen dürfen: ich habe mich eine gewisse Zeit lang verstellt, bis es mir dann völlig den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Damals war ich tatsächlich mehrere Wochen nicht fähig in die Schule zu gehen, weil ich mental total fertig war. Das will ich auf keinen Fall noch einmal erleben. Deshalb verstelle ich mich nicht mehr, sondern bin ich jetzt, wie ich bin, was ich vor allem im letzten Jahr immer mehr erkannt habe. Und ich merke, dass es mir und vor allem auch meinen Schülern gut tut!   

Warum? 
Weil ich ganz anders, viel entspannter an die Sache heran gehe. Ich gehe entspannter, so wie ich mich fühle in meinen Unterricht. Die SchülerInnen wissen gleich woran sie sind – und passen sich an, zumindest meistens. Ergebnis: eine entspannte Atmosphäre, in der jeder so sein kann, wie er ist, oder wie auch wie er sich gerade fühlt. 
Was ich damit sagen will ist: wir alle haben unsere Eigenheiten, unsere Vorlieben und Befindlichkeiten – und das ist ok so, nein es ist sogar gut so! 

 

Beispiele aus dem Unterrichtsalltag 

Es gibt immer wieder Situationen, Gespräche oder Unterrichtsstunden, nach denen ich denke: Toll! So wunderbare Menschen! Und das darf ich als Lehrerin immer wieder erleben: 

Vor einigen Wochen entsteht in einem Oberstufenkurs Religion eine Diskussion über den Glauben und die Kirche – wirklich ernst gemeint, nicht von mir ausgehend, sondern die Jugendlichen selbst sind darauf gekommen und haben ihre Meinung, ihre Erfahrungen und auch Zweifel in die Diskussion eingebracht. Das Schöne und Besondere daran war: ich musste als Religionslehrerin hier gar nicht die Gegenposition zu den Schülermeinungen ergreifen, sondern die Schüler selbst haben alle Seiten und Einstellungen dazu durchgesprochen, dargestellt und auch mit Nachdruck vertreten. Ich war mehr als begeistert! Auch wenn einige zweifelten, insgesamt haben alle, und das hat mich beeindruckt, offen und ehrlich ihre Meinung vertreten. Weil sie wussten, dass ich alle Meinungen gelten lasse und niemanden für irgendetwas verurteile. 

In der fünften Klasse in Religionsunterricht ist es besonders wichtig einen guten Draht zu den “Zwergen” am Gymnasium aufzubauen. Für mich nicht immer einfach, da ich oft mit den größeren eine bessere Verbindung habe. Aber dass es doch ab und zu klappt zeigt mir ein Schüler immer wieder: als ich im Herbst am Handgelenk verletzt bin und mit einer Schiene im Unterricht auftauche, sorgt sich der junge Mann: “Können Sie damit überhaupt kochen? Meine Mutter macht heute Germknödel, kommen Sie doch zum Essen zu uns, falls das mit Ihrer Hand nicht geht.” Da geht einem doch das Herz auf – einfach so, weil er denkt, ich tu mich schwer mit dem Kochen, werde ich zum Essen eingeladen. Ich habe dankend abgelehnt, aber überglücklich! 

In der selben fünften Klasse bekomme ich einen Anruf wegen meiner kranken Katze – ich kann die Stunde (die letzten fünf Minuten) nicht mehr unterrichten, muss telefonieren. Nach etwa zwei Wochen meldet sich eine Schülerin und fragt nach, was denn gewesen sei. Ich wusste erst gar nicht was sie meint, aber sie fragt direkt nach der Katze. Ich muss dann leider erzählen, dass wir sie einschläfern lassen mussten – und die Kleinen trösten mich und erzählen mir Geschichten, die mich ablenken sollen. Schön! 

Und aus den letzten Tagen erst: Sportshow-Abend – ein Abend mit den verschiedensten Aufführungen aus den Sport-Klassen und -Gruppen. 
Ich brauche dringend Helfer für den Licht-Aufbau, und frage ein paar 9. und 10.-Klässler, ob sie freiwillig am Mittwoch Nachmittag(!) mir beim Aufbauen helfen. Und? Natürlich helfen sie, obwohl ich sie gar nicht unterrichte und die Jungs kaum kenne. Aber es passt einfach zwischen uns und so helfen sie tatkräftig mit! 

Und dann wäre da noch die Projektwoche (mit Yoga und Ernährung), Sportfahrten und so viele andere Aktionen, die die Schule zu einem Lebens-, Erlebens- und Wohlfühlraum machen. 

Unterricht mal anders: meine 6. Klasse beim Yoga-Flow (Sport-Show-Abend)

Meine eigene Sport-Gruppe, eine 6. Klasse, soll mit mir einen Yoga-Flow aufführen. Ich habe mich dazu entschieden, aber nach den ersten Schwierigkeiten und Verzögerungen habe ich Zweifel, ich denke, sie haben keine Lust. Aber im weiteren Verlauf der Wochen, in denen wir fleißig üben und gemeinsam den Flow erstellen, wird uns allen klar – das wird richtig gut. Und das war es auch! 

Es hat so viel Spaß gemacht, mir und ich denke auch den Schülerinnen, sie haben so toll mitgemacht und sich richtig reingehängt! Ich war unglaublich stolz! Und dann hab ich am nächsten Tag Geburtstag und bekomme ein Puzzle! Ich liebe Puzzles. Mit “Yoga, Cats & Coffee” als Motiv – die Mädels wissen einfach was ich brauche und was mir wichtig ist! Ich war wirklich total begeistert! 
In solchen Momenten liebe ich meinen Job noch viel mehr als eh schon! 

Also, was ist jetzt am Ende das Wichtigste? 

Für mich ganz klar: die Schüler*innen, und zwar jede*r einzelne, mit seinen ganz eigenen Bedürfnissen, Eigenheiten und vielleicht auch Macken, aber die hat ja bekanntlich jeder! 
Wenn ich auf meine Kids zugehe, so wie ich bin, und sie so nehme, wie sie sind, dann ist tatsächlich alles wunderbar. Auch wenn nicht immer alles nur gut ist, aber es herrscht eine angenehme, entspannte, freundliche und herzliche Grundstimmung im Klassenzimmer, in der Sporthalle und überall sonst! 

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